Skriptorium Neun Verlag

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

                        

 

 

 
 

 

kann man ein kleines Vermögen machen,

wenn man vorher ein großes hatte.
Beides besitze ich nicht. 
Bestenfalls ein Schreibvermögen
;-)

 

Rutger Emm

im Literaturhaus Frankfurt-Cleeberg ;-)

Schreibt schräge Prosa
(Erzählungen, Geschichten, Kurzprosa),
gestaltet Bücher und verlegt Gegenwartsliteratur im

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Neun schräge Anmerkungen
zur Literaturlandschaft und zum Buchmarkt

 

Texte schreibe ich, seit ich Buchstaben schreiben kann. Als Literatur würde ich meine Werke erst seit 2014 bezeichnen. Nachdem ich mich etwa ein Jahr damit beschäftigt habe, wie man Bücher macht, erscheint 2018 mein erster Prosa-Band:  eine Klappenbroschur auf 100 g-Papier, in einer halbfetten Serifen-Schrift (eine Times New Roman, Schriftgrad 18) im 30er-Blocksatz >>>  d.h. mit nur etwa vier bis fünf Wörtern pro Zeile, was einen gewissen typografischen Aufwand erfordert. Nein, es handelt sich nicht um Großdruck für Senior(inn)en ;-), Vorbild war die Erstausgabe von Franz Kafkas "Betrachtung". SKRIPTORIUM steht für einen handwerklichen Aspekt, der bei Belletristik spürbar sein sollte. Die Zahl NEUN im Verlagsnamen spielt an auf literarische Vorbilder: neun Kurzprosa-Texte, deren Sprachdichte ich bewundere  >>>>>>>>> 

 

 

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Neun schräge Anmerkungen

zur Literaturlandschaft und zum Buchmarkt

 

Hier erste Eindrücke und subjektive Erfahrungen eines Quer-Einsteigers und Neulings im Buchmarkt:

 

1. Die aktuelle Literaturlandschaft wird dominiert von einer Monokultur des Romans. Der Roman ist der Ballermann der Literaturlandschaft. Viele zieht es dorthin, um sich mit dünnflüssigen Sätzen zu besaufen.

 

2. Der Buchmarkt wird dominiert von großen Verlagen und bekannten Autor(inn)en. Es gibt ein Ringen um Aufmerksamkeit, dem sich alle unterwerfen. Bücher, Bücher ... und alle streben nach dem Baren, Schönen, Guten. Während der Buchmarkt ohnehin "sportlich" für alle Beteiligten ist, machen es sich die Marktteilnehmer gegenseitig so schwer wie möglich. Kommt ein Endkunde in eine Buchhandlung, um ein Buch zu bestellen, erhält er oft die Antwort, der Titel sei nicht lieferbar. Zwar steht das Werk im Verzeichnis lieferbarer Bücher, wird aber nicht in allen Katalogen der Großhändler (der sog. Bar-Sortimenter) gelistet. Ein Problem insbesondere kleiner Verlage.

 

3. Zwischen Verkaufserfolg und Bekanntheit einerseits und literarischer Qualität andererseits lässt sich lediglich eine schwache Korrelation entdecken. Anders gesagt: Es gibt richtig gute Bücher, die viel bekannter sein müssten. Und umgekehrt gibt es bekannte Bücher, bei denen man sich fragen kann, ob sie wirklich das gewisse Etwas haben oder eher das gewisse Nichts.

 

4. Der Erfolg ist allen zu gönnen, selbst wenn es sich um Schmonzetten handeln sollte, deren Satzgüte "Sie errötete, als der junge Frauenarzt den Raum betrat" nicht überschreitet. Durch Publikumserfolge wird anspruchsvolle Literatur finanziert.

 

5. Angesichts der alljährlichen Flut von Neuerscheinungen können dürfen müssen wir auswählen. Dies ist Segen und Fluch zugleich. Nebenbei führt es zu einer Fixierung auf neue Titel und zu einem Backlist-Denken statt zu einer Konzentration auf gute Bücher. Meinen persönlichen Literatur-Nobelpreis vergebe ich übrigens jährlich immer wieder neu an Herta Müllers Collagen-Band "Vater telefoniert mit den Fliegen" (erschienen 2012).

 

6. Wenn es eine Krise des Buches gibt, dann ist sie nicht nur auf die Konkurrenz anderer Medien zurückzuführen. Meine These: Es gibt eine Krise des Lesens. Der Gestus des lesenden Menschen (als kollektive Grundhaltung im Brechtschen Sinne) setzt voraus, dass es jemand gibt, derdie sich dafür entscheidet, eine Zeitlang für sich allein zu verbringen, Aufmerksamkeit nach innen zu richten und berührbar zu sein. Berührbar durch Sprache. Lesen-Können, Lesen-Wollen und der Tatbestand Lesen werden immer kostbarer. Sie beruhen auf Folgen-Können, Mit-Denken und Sich-Einfühlen konträr zu einer Welt, in der Führen-Wollen, Rechthaben und Schnelligkeit aufleben. Als Leser/innen sind wir Überflieger, keine  Überflieger. Damit gerät Gegenwartsliteratur, die ohnehin als schwierig gilt, allzu leicht in eine Randposition. Was tröstet: Der Vorwurf, ein Außenseiter zu sein, setzt voraus, dass Innenseiter zu sein ein Kompliment wäre.

 

7. Wenn das, was A über B sagt, mehr über A als über B sagt, dann ist B ein gutes Buch. Wenn das, was A über B sagt, über A hinaus auch etwas über B sagt, dann ist A ein guter Leser. Wenn C der Verfasser von B ist und das Buch im Kontakt mit A weder erklärt noch anpreist noch verteidigt, dann ist C ein guter Autor. Oioioi. Es gibt doch tatsächlich Sätze, die man mehrmals lesen kann. Also nochmal: Was A über B sagt, sagt mehr über A als über B. B wie Buch. Uups, erkläre ich (C) Ihnen (A) gerade meine Sätze statt Sie selbst denken zu lassen? Dann kann ich kein guter Autor sein ... ;-)

 

8. So wie sich das Er-finden vom Finden unterscheidet und das Er-kämpfen vom Kämpfen, so müsste sich das Er-zählen vom bloßen (Auf)Zählen der Sätze und Seiten unterscheiden. Eine Vereinnahmung müsste stattfinden. Der aktuelle Mainstream der Belletristik vereinnahmt nur selten. Leider. Das Erzählen unserer Tage wirkt oft wie ein Spätausläufer des bürgerlichen Realismus: Erstens gilt es, sprachlich brav und schnell verdaulich zu formulieren statt etwas zu riskieren. Zweitens: Plot vor Satzkunst. Drittens: Erbauung vor Dekonstruktion. Na dann, wohl bekomm's! Doch der Literatur vorzuwerfen, sie sei unverdaulich, wenn sie auf die Gegenwart verweist, ist ebenso sinnlos wie die Speisekarte zu hassen, wenn einem das Essen nicht schmeckt.

 

9. Ein Konsens der Kritik oder gar ein allgemein verbindlicher Kanon guter neuer Literatur wird immer absurder. Kritikern, die Äpfel mögen und Birnen besprechen, verdanken Birnen-Leser manch schmackhaften Verriss.

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 
 

Fotografie: Rita John